Sonntag, 6. März 2016

Kottan ermittelt - Inspektor gibt’s kan!


Adolf „Dolferl“ Kottan - Ein Wiener Grantler mit Schmäh


Das haben wir in der Fahrschule gelernt, aber denken wir immer dran? Beim Öffnen der Autotür immer zuerst ein Blick in den Seitenspiegel und den nervigen Schulterblick – es könnte ja ein Radfahrer, Fußgänger oder ein Auto kommen.
Hat man jedoch Kottan ermittelt gesehen, vergisst man das garantiert nie. Und da geht es nicht nur mir so. Aber warum? Weil Major Adolf Kottan und sein Assistent Schrammel (mehr Mündungsfeuer als Geistesblitz) garantiert jeden Radfahrer hochkant über die geöffnete Autotür fliegen lassen und sich mit Vorliebe die Fahrertür von anderen Autos abfahren lassen.


Running Gags
Jetzt könnte man sagen, „Schön blöd, gell?“, aber Kottan ermittelt ist eine satirische Krimiserie, die u.a. von vielen Running Gags lebt. Da werden schon mal Autotüren abgefahren, da gibt es den Wiener Polizeipräsident mit einer Phobie für Fliegen und für Kaffeeautomaten, die Fernsehansagerin, die auch mal gegen die Scheibe des Bildschirms klopft um schlafende Zuschauer aufzuwecken, der Penner Drballa, der jede Leiche findet, der Regisseur mit zig Cameo-Auftritten, der sich sogar mal erschießen lässt, die Panzerknacker, die Meta-Ebene wird durch direkte Ansprache an die Zuschauer unterbrochen: „Wir üben weiter, in der nächsten Folge“, „Sprechen Sie leiser, Sie wecken ja die Zuschauer auf“ usw.


Kottan's Kapelle
Nur echt mit dem Apostroph. Kottan singt, der einbeinige Schremser (im späteren Kinofilm hat er sich dann das zweite Bein angeraucht) am Kontrabass, sowie Intelligenzbestie Schrammel am Schlagzeug. Das alles in bestem Playback. Nein, nicht ganz. Manchmal singen sie auch wirklich und sei es nur, wenn sie von Polizeipräsident Heribert Pilch (der mit den Phobien für Fliegen und Kaffeeautomaten) mit gezückter Waffe dazu gezwungen werden.


Major Adolf Kottan (Inspektor gibt’s ja kan) arbeitet im Wiener Sicherheitsbüro in der Mordkommission. Seine Kollegin sind Heribert Pilch (Anfangs Dezernatsleiter, später Polizeipräsident), Paul Schremser (der Einbeinige am Kontrabass, der später Dezernatsleiter wird und damit Kottan die Beförderung versaut, aber Rache ist süß) und der Schrammel (Kottan: „Manchmal glaube ich, dich haben sie aus der Fahrschule direkt in den Polizeidienst übernommen!“).


Jede Folge hat mindestens einen Mordfall, ok nicht jede, aber fast, und meist erfährt man erst am Ende, wer der Mörder ist. „Das geht jetzt ruck zuck!“ Die Storys sind so schlau geschrieben, dass man nicht so einfach drauf kommt, wer der wahre Bösewicht ist. Bis dahin wird man bestens mit Verstrickungen, Verwirrungen, abgefahrenen Autotüren, Beschwerden beim Fernsehsender über das mistige Programm (eben Kottan ermittelt), Kottans chaotischer Familie, perfekt passender Musik und natürlich Kottan's Kapelle bestens unterhalten.


Drei Kottans
Schon so mancher hat Kottan mit Doctor Who verglichen, was auch kein Wunder ist. Immerhin wurde der Major von drei verschiedenen Schauspielern dargestellt. In den ersten beiden Folgen grantelte Peter Vogel (der Sohn des legendären Rudolf Vogel) über den Bildschirm, löste die Morde in der Hartelgasse und musste sogar an seinem Geburtstag Kollegen unterstützen, die noch weniger Ahnung hatten als er.
Franz Buchrieser als Kottan No 2 sorgte in drei Episoden für noch mehr abgefahrene Autotüren, marschierte im Superman-Kostüm auf, beschwerte sich beim ORF über die miese Serie, schimpfte stets über den zu heißen Kaffee („Kochen muss ich ihn schon“) und löste dabei so ganz nebenbei jeden Mordfall. Das Ganze sogar mit etwas Stil und Eleganz, aber immer chaotisch genug für Kottan.
Ab Episode 6 bis zum Ende der Serie schlüpfte der Wiener Kabarettist Lukas Resetarits in die Rolle des Adolf Kottan und mit ihm kam der Wahnsinn erst richtig in Fahrt. Kottan's Kapelle wurde ins Leben gerufen und die Auftritte waren das Highlight so mancher Folge. Von der legendären Taxifahrt für 23 Schilling vom Bordell in Richtung Wiener Sicherheitsbüro bis hin zur Wandlung vom braven Ehemann zum Weiberhelden, die Rache an Präsident Pilch für das Versetzen der Sekretärin, die immer den Kaffee gemacht hat, die missglückten Mordversuche von den Erzfeinden Horrak und Wasservogel, Kottan klonte sich sogar selbst, jeder Irrsinn, den sich Autor und Regisseur einfallen lassen konnten, war vertreten.


Österreich hat nur ein Dutzend Schauspieler
So scheint es zumindest, wenn man alle 19 Episoden Kottan ermittelt gesehen hat. Die großartige Erni Mangold (sie wirkte auch in Before Sunrise mit) war in 3 Folgen in 3 verschiedenen Rollen dabei, plus eine weitere Rolle im Kinofilm von 2011. In Episode 2 „Der Geburtstag“ hat sie als dominante Mutter eines durchgeknallten Sohnes ein wahres Meisterstück an Schauspielkunst abgeliefert. Dazu gibt es noch eine Menge weiterer Schauspieler und Schauspielerinnen, die im Laufe der Serie immer wieder in verschiedenen Rollen aufgetaucht sind. Ein genauer Blick lohnt sich und man findet jede Menge Wiederholungstäter, inklusive Regisseur Peter Patzak.


Das UFO in Dortmund
Mit dieser Spaßmeldung in einer Folge haben die Macher wohl den Vogel abgeschossen. Eine Laufbandschrift meldete die Landung eines Ufos bei Dortmund und eine Sondersendung im Anschluss – die es natürlich nicht gab. Viele Zuschauer sind natürlich drauf reingefallen und schauten dumm, als das ganz normale TV-Programm folgte. Natürlich folgte eine Flut an Beschwerden. Der Spaß durfte nie mehr angewendet werden, es folgte ein Verbot von höchster Stelle. Nur konnte diese höchste Stelle nie verhindern, dass die Laufschrift in Wiederholungen zu sehen war und auch auf der DVD drauf ist. Ätsch!


Der Umgang mit der Kritik
… war vorhanden, wenn man es so nennen will. Fakt ist, je mehr Kritik es gab, desto rotzfrecher waren die Reaktionen in den kommenden Folgen darauf. Der Fernseher lief im Kottanschen Wohnzimmer, natürlich eine Folge Kottan ermittelt, daraufhin riefen sowohl Buchrieser-Kottan als auch Resetarits-Kottan beim Sender an und beschwerten sich über ihre eigene Serie. In einer Episode sagte Resetarits-Kottan zum Publikum, dass das die „schlechtesten Filme sind, die sich auf Kosten der Polizei lustig machen“.
Perfekte Reaktionen an die Kritiker der Serie, die Anfang der 80er Jahre den Unterschied zwischen Derrick, dem Kommissar, dem Alten und Kottan, also genaugenommen zwischen einem „normalen“ Krimi und einer Krimisatire noch nicht verstanden hatten. Manche haben das wohl bis heute nicht kapiert, umso lustiger ist es, dass sich noch immer Leute bei jeder Wiederholung der Serie, die längst Kultstatus erreicht hat, beschweren. Oder sie beschweren sich um des Beschwerens Willen. Man weiß es nicht so genau.


Der Kinofilm 2011 – Rien ne va plus
… ist ein Dienst am Fan, ähnlich wie bei Veronica Mars. Das bedeutet, wenn man die Serie nicht gesehen hat, kann man mit dem Film nicht sooo viel anfangen, weil man die vielen Gags und Anspielungen gar nicht versteht.
Handlung: Ist vorhanden und zwar sogar eine sehr gute, also ein wirklich interessanter Kriminalfall, der uns immer wieder die Gier und den Machthunger der Menschen vor Augen führt. Also ein ernstes Thema, verpackt in eine hervorragend gemachte Krimi-Satire.  
Da ein Teil der Hauptdarsteller der TV-Serie leider nicht mehr lebt, wurde das gemacht, was früher schon mit Major Adolf Kottan passiert ist. Die Schauspieler wurden einfach ersetzt, aber hier nicht ohne Erklärung. Lukas Resetarits selbst, der wieder in die Rolle des „Dolferl“ geschlüpft ist, stellt uns am Anfang des Films „Die alten Neuen, oder die neuen Alten, wenn man so will“ vor:


Schremser: „Den zweiten Haxen hat er sich angeraucht“ - gespielt von Johannes Krisch. Ein medikamentensüchtiger Kettenraucher, der sich endlich mal verlieben darf
Schrammel: „Mehr Mündungsfeuer als Geistesblitz“ - Robert Stadlober grandios als der ewige Assistent, Anschleimer und Speichellecker des Polizeipräsidenten, der auf eine Beförderung zum Leiter des Schießtrainings wartet.
Pilch: „Polizeipräsident Heribert Pilch – Popanz aus dem Zwergenland“ - Udo Samel macht das so großartig, dass man kaum einen Unterschied zum Original Kurt Weinzierl merkt. Die Leiche des letzten Kaffeeautomaten (Nixpresso 1981 – 1983) ziert ebenso sein Büro wie die letzte Fliege. Seine neue Phobie ist eine Kakerlake, die er zwei Stunden lang versucht, mit einem Totschläger zu erwischen. Erfolgreich? Film anschauen!


Ganz großes Kino war, dass Bilder der mittlerweile verstorbenen Darsteller im Großformat im Polizeibüro hängen, mit Trauerflor versehen. Ein wenig Wehmut und Ernsthaftigkeit in einem satirischen Film, der nicht nur durch die altbekannten Running Gags für jede Menge Lacher sorgt.


Beim Kottan-Film ist es ähnlich wie bei Star Trek, wer einmal mitgespielt hat, kommt wieder. So wurde Kottan-Ehefrau Ilse wieder von Bibiana Zeller gespielt, Erzfeind Horrak war wieder durch Ernst Konarek vertreten, Peter Patzak führte erneut Regie, das Drehbuch stammte von Jan Zenker, dem Sohn des verstorbenen Helmut Zenker, Österreichs Kult-TV-Ansagerin Chris Lohner ließ es sich nicht nehmen, Kottan via Bildschirm solange anzuhimmeln, bis Ehefrau Ilse den Stecker zog, ebenso war Franz Suhrada als geistig unterbelichteter Polizist Schreyvogel wieder dabei.


Ein Highlight ist natürlich wieder Kottan's Kapelle, die dieses Mal wirklich singen muss, weil das mit dem mal einen Original-Song als Playback verwenden nicht mehr so einfach geht. Und sie machen ihre Sache super. „The Joker“ und „Three Steps to Heaven“, nur um zwei Beispiele zu nennen, wurden von Lukas Resetarits, Johannes Krisch und Robert Stadlober so gut gesungen, dass sie den Originalen in nichts nachstanden – und Präsident Pilch sogar ins Wasser geht.


Nach 19 Folgen der Original-Serie ist das Filmgenuss pur.

Und das Ganze gibt’s sogar ziemlich günstig bei Amazon: Serie & Film

Autorin: Brigitte

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